Konstruktive Kommunikations-Potenzen: Vom gütigen Denken

Willkommen zur Serie „Phrasen mit gequirltem Quark“.

Was sich unter diesen seltsam anmutenden Überschriften versammeln wird, sind wildgewordene Wortgruppen aus der „Phrasen-Dreschmaschine“ (aus der Wortspielhölle des Übersetzer-Kollegiums Straelen). Eine Apparatur die ich irgendwann einmal im Haushalt meiner Eltern entdeckte (als jener auch noch der meinige war). Dieses wunderbare kleine Ding liefert hunderte dreiteilige Phrasen – eingeteilt in „konservative“ und „progressive“, welche man, mithilfe der Pappräder auf denen sie geschrieben stehen, bunt miteinander mischen kann. Was sie hier suchen ist der Sinn, den die Menschen, die mit ihnen und ihren Verwandten um sich werfen, ihnen bisher verwehrt haben. Sie wurden lange genug als „nichtssagende, aber tiefschürfend erscheinende Wortkombinationen“ gesehen. Hier sollen sie endlich ein Zuhause bekommen, in dem sie den nötigen Respekt und ein verständnisvolles Ohr finden. In mehr oder weniger ernsthafter Weise werden sie liebevoll unter die Lupe genommen und einer passenden Bedeutung zugeführt, mit der sie hoffentlich aus ihren Gefühlen der Minderwertigkeit wieder herausfinden.

Auch Phrasen sind nur Menschen!

Warum gibt es dieses Projekt? Ganz einfach: Eigentlich nur, weil ich Spaß an verquastetem Gequatsche habe, an der fabelhaften Welt des Fabulierens. Glücklicherweise liefert die Maschine mir aber gleich eine passende Phrase, um mein Vorhaben elegant als sozialkritisches zu maskieren: Konstruktive Kommunikations-Potenz.

„Der Diskurs ist frei geboren, doch überall liegt er in Ketten.“

Die Wege der Kommunikation sind unergründlich. In Zeiten, in denen uns mehr als je zu vor die verschiedensten Wege offenstehen, mit Menschen in Kontakt zu treten, passiert es immer noch viel zu oft, dass Gespräche eben nicht geführt werden. Der Dialog wäre möglich, aber viele Menschen scheinen eine Vielzahl von gegenläufigen Monologen interessanter zu finden. Fronten bilden sich, Meinungen verhärten sich mit allem, was die Gegenseite äußert. Sehr gerne werden hier die sogenannten „Keulen“ ausgepackt. Sätze, die es fast unmöglich machen, konstruktiv auf sie zu Antworten, weil sie weder ein Argument enthalten, noch eine Frage. Man wird in die Ecke gedrängt und gezwungen, in Verteidigungshaltung zu gehen, sich zu rechtfertigen – und der Ton wird rauer.

Eine dieser Keulen, wenn auch eine vergleichsweise harmlose, ist eben der Vorwurf der „holen Phrase“. Das schöne an ihr ist – man kann sie recht einfach umdeuten: zu einer Frage. „Ich verstehe nicht, was Sie hiermit meinen – bitte führen sie es genauer aus.“ Ein ehrliches Interesse am Gehalt des Gesagten – wie schön.

Selbst wenn sich herausstellt, dass tatsächlich nichts dahintersteht (sich also nichts herausstellt), gibt es zwei Möglichkeiten:

(1) Finden wir heraus, was die Phrase ver-stellt. Steht nichts hinter der Phrase, dann steckt wohl etwas anderes darunter. Räumen wir sie beiseite und fragen dort weiter, wo wir waren, bevor die Unterhaltung von der sprachlichen Vogelscheuche verschreckt wurde.

(2) Nutzen wir doch einfach ihre konstruktive Kommunikations-Potenz. Versuchen wir – gemeinsam mit dem hilflosen Menschen, der soeben versuchte uns abzulenken – (a) herauszufinden, was für Bedeutungen in ihr stecken. Bringen wir eine Erkenntnis ans Licht, die irgendwo im semantischen Feld der Wortgruppe verborgen liegt, und nutzen wir sie, um (b) das Gespräch voranzutreiben. Wie wunderbar sokratisch.

Wenn es um eine „zukunftsgewandte Agenda“ im Rahmen unserer „humanistischen Kulturideale“ geht, wäre es doch schön, konkret zu erforschen, wohin wir kommen könnten, wenn wir diese bunten Pinselstriche einmal nicht nur an uns vorüberfliegen ließen, sondern nachschauten, welche Zukunft wir tatsächlich wollen, was unsere Ideale sein könnten, und wie wir aus dem ganzen eine Agenda bauen könnten, die ihren Namen verdient, und nicht nur der Pappkamerad eines Papiertigers bleibt. Lasst uns also eine Art „principle of charity“ des Alltages pflegen und das Gesagte in einer Art und Weise ernst nehmen, in der es ernst genommen werden kann.

Gehen wir nicht immer davon aus, dass Phrasen die Waffen böswilliger Blender sind, sondern Denken wir über sie nach, als hätten sie uns etwas zu sagen. Sehen wir voller Güte auf das leere Konstrukt, und füllen es mit unserem Wohlwollen. Lassen wir es nicht als dunkle Wolke über dem Gespräch schweben, sondern holen wir sie herunter, waschen sie sorgfältig und lassen wir uns in das neu gewonnene, weiche Wattekissen sinken – gemeinsam mit unseren Dialogpartnern.

„Das Leben ist kein Ponyhof – bei uns sind die Ponys frei!“

Den Pfad des ersten Teils dieser zweiten Methode werde ich hier sehr lose und luftig beschreiten. Für den zweiten fehlt mir der Gesprächskontext – und vermutlich meist Erfahrung, Expertise und Aktivismus. Ja, at the end of the day bin ich doch nur eine faule Sau, die sich in ihren eigenen eitlen Gedanken suhlt; aber das mit Genuss. (Schweine sind doch auch sympathisch, oder? Genügsam und unkompliziert.)

Ich werde mich also an den Wundern des pompösen Potpourris Sprache berauschen und mit einem Lächeln und vielleicht sogar ein paar denkwürdigen Gedankenanstößen weiter meinen Tag verleben. Wer mich dabei begleiten möchte, sei herzlich dazu eingeladen.